Prof. Dr. Marita Schocker, Am Fischbach 15, 79199 Kirchzarten
Leserbrief zum Artikel: Alle wollen den Tunnel, Montag, 22.09.2021, Seite 22, Dreisamtal/Hochschwarzwald
Es ist schon erstaunlich, mit welch dürftigen Argumenten gleich alle sechs im Wahlkreis 288 (Breisgau-Hochschwarzwald/Waldshut) Kandidierenden sich für den Bau des Falkensteigtunnels der B31 stark machen. Dass die konservativen Vertreter von Union und Freien Wählern als auch der Rechten (AfD) dem immer weiter so frönen und in vorauseilendem Gehorsam der Autoindustrie und dem ausufernden Transportgewerbe die Wege ebnen und sich nicht zu schade sind, dafür Milliarden in Betonröhren fließen zu lassen (und dies auch noch als Wohltat für leidgeplagte Bürger verkaufen) ist an Zynismus kaum noch zu überbieten. Dass in dieser Umfrage aber auch Linke, SPD und – kaum zu glauben – auch die Grünen in dieses Horn blasen, schlägt dem Fass den Boden aus. Ganz so, als hätten sie noch nichts von Klimawandel mit entsprechenden Naturkatastrophen, Gipfelbeschlüssen und höchstrichterlichen Urteilen gehört, die der Politik enge Rahmen setzen, gedenken also auch sie umzusetzen, was findige Geister schon vor Jahren erdacht haben: den stillschweigenden peu-a-peu Ausbau der B31 zu einer Hochleistungstrasse quer durch den Schwarzwald. Dazu wird schon eifrig abgeholzt und planiert, werden vorausschauend Rasthöfe und LKW-Parkplätze platziert. Ungeheuerlich!
Anstatt sich der geänderten Bedingungen anzunehmen, nicht rückwärtsgedacht zu handeln, sondern vorausschauend nachzudenken, schielen die beteiligten Volksvertreter mal wieder lieber nach Stimmen und somit nach Macht. Wann eigentlich wollen sie sich den Themen der Zukunft zuwenden? Eines davon wäre zum Beispiel das Einleiten einer dringend notwendigen Verkehrswende. Statt groteske Neubauten zu planen, zu denen neben dem Falkensteigtunnel auch dessen Freiburger Pendant samt Autobahn-Vollanschluss mitten in der Stadt (!) zu zählen ist, sollten die Politiker*innen lieber über ein dringendes Lkw-Fahrverbot auf der B31, den Ausbau von Schienen und einen den Anforderungen der Landbevölkerung gerecht werdenden öffentlichen Nahverkehr nachdenken. Es gilt nicht noch mehr Verkehr auf frisch geteerte Straßen zu locken, sondern den jetzigen umwelt- und verkehrsgerecht zu kanalisieren und einzubremsen. Das setzt voraus, dass die Politik endlich Klimagutachten und Verkehrsprognosen forciert – anstatt uralten, im Bundesverkehrswegeplan dahinsiechenden Plänen Aktualität zu verleihen. Wer das nicht einsehen mag, hat im neuen Bundestag nichts verloren.